... und welche Note bekommen wir Deutschen? Das Land der Träume. Das Land des Fortschritts. Das Land von Carnegie und Rockefeller. Und auch wenn die Vereinigten Staaten von Amerika ihren Vorbildcharakter und ihre Faszination unter Präsident Trump ein wenig eingebüßt haben dürften, im Fundraising bleiben sie das Maß aller Dinge. In keinem Land wird bezogen auf die Bevölkerungszahl mehr gespendet (außer in Myanmar), nirgendwo gibt es mehr haupt- und nirgendwo mehr ehrenamtliche FundraiserInnen, kein Land ist so weit vorne im digitalen Fundraising.
Was macht das amerikanische Fundraising so erfolgreich? Dieser Frage bin ich vor genau 15 Jahren im Rahmen einer Forschungsreise zu den erfolgreichsten NPOs in den USA nachgegangen. Nach Hause gekommen bin ich mit 7 Tugenden des amerikanischen Fundraisings. Tugenden, die wir in Deutschland noch nicht – oder so gut wie nicht – besaßen. Wie sieht es heute 15 Jahre später aus? Konnten wir einige der amerikanischen Tugenden entwickeln – und vielleicht sogar mit den USA gleichziehen? In zwei Teilen meine Einschätzung in Schulnoten.
1. Tugend: Überzeugende Mission. Amerikaner lieben ihre Mission und erzählen sie einem jederzeit, buchstabengetreu und im Brustton der Überzeugung. Die amerikanische Mission ist kurz, knackig, emotional und allgegenwärtig. Sie ist das Herz einer Organisation und die Mitarbeiter sorgen dafür, dass es nie aufhört zu schlagen.
In deutschen Organisationen waren Missionen vor 15 Jahren meist noch in verschraubten Satz-Ungetümen in der Vereinssatzung versteckt – die niemand kannte. Heute sind sie klarer und kürzer und zumindest auf Websiten und in den Sozialen Medien sehr viel präsenter. Die Allgegenwärtigkeit und Verinnerlichung – verbunden mit diesem mitreißenden Stolz der Mitarbeiter auf die Mission – haben wir als nüchterne Deutsche noch nicht erreicht. Und werden es wohl auch nicht. Note: 2
2. Tugend: Lokales Fundraising. „Local is beautiful“, sagen amerikanische FundraiserInnen. Amerikaner spenden am liebsten für lokale bzw. regionale Zwecke. Und nicht nur Amerikaner. Alle Menschen spenden gerne für Projekte und Organisationen in ihrem Umfeld. Kein Wunder: Nähe erzeugt Nähe. Deswegen sind amerikanische FundraiserInnen - auch die von landesweiten Organisationen - vor Ort und sammeln für Projekte vor Ort. Mit Ehrenamtlern vor Ort.
Lokales Fundraising ist in Deutschland auf dem Vormarsch. Dazu trägt insbesondere die Verbreitung und Professionalisierung des Fundraising auch in kleinen Organisationen und Vereinen bei. Das städtische Heimatmuseum oder das interkulturelle Begegnungszentrum des Ortes haben mittlerweile ausgebildete FundraiserInnen, die erfolgreich das lokale Netzwerk zum Spenden aktivieren. Auch große NPOs entdecken zunehmend den positiven Spendeneffekt lokaler Nähe. Katalysator für diese Entwicklung ist ausgerechnet das World Wide Web: Internet und Social Media ermöglichen Ortsgruppen, Mitgliedern und Freunden via eigener Spendenseiten die unkomplizierte Organisation von Spendenaktionen in ihrem Umkreis. Von der enormen Aktionsbereitschaft der Amerikaner sind wir trotz allem noch meilenweit entfernt. Note: 3+
3. Tugend: Board Fundraising. In amerikanischen Organisationen ist Fundraising Chefsache. Der Vorstand stellt wichtige Kontakte her und geht beim Spenden selbst mit gutem Beispiel voran. Häufig werden die (ehrenamtlichen) Vorstände nach ihren Fundraising-Ressourcen ausgewählt - die da sind: eigenes (Spenden-)Vermögen und ein gutes Netzwerk zu potentiellen Großspendern. In den USA gilt: Wer Vorstand ist, ist auch und vor allem Fundraiser.
In Deutschland gilt das leider nicht. Die deutsche Mentalität „Ich spende doch schon meine Zeit – das muss reichen“ hat sich in den vergangenen 15 Jahren kaum verändert. Nach einem Fundraising-Vorstand sucht man in deutschen NPOs vergeblich. Haufig wird Fundraising auf Vorstandsebene eher ausgebremst als befördert. So gilt noch immer der Witz, warum FundraiserInnen so gut indisch können: Weil sie eben am Ende des Ganges sitzen! ;-)) Note: 4-
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